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Unwanted Heritage/Moderne Heimat Leipzig

[ Ansichten der architektonischen Moderne in Gdańsk, Sopot und Leipzig: Ausstellungsprojekt ]
Unwanted Heritage
Danzigs Architekturgeschichte im 20. Jahrhundert ist bislang nur unzureichend erforscht. Die wenigen Dokumente, die den Zweiten Weltkrieg überdauert haben, sind ungeordnet und aus politischen wie historischen Gründen schlecht aufgearbeitet. Dabei haben namhafte deutsche und polnische Architekten wie Fritz Höger, Paul Möbes und Lech Kadłubowski in Gdańsk und im benachbarten Seebad Sopot ihre Spuren hinterlassen. Einen Grund für die Vernachlässigung des Erbes moderner Architektur sehen die Kuratoren von „Unwanted Heritage“ im offiziell vermittelten Image von Gdańsk als alter Hansestadt, das durch den wieder aufgebauten historischen Stadtkern verkörpert wird. „Unwanted Heritage" erforscht die Geschichte von den Anfängen der modernistischen Architektur in Gdańsk, dokumentiert diese in Text, Film und Bild und analysiert den heutigen Zustand der Gebäude. Viele Bewohner und Bewohnerinnen von Gdańsk tun sich schwer, moderne Architektur als einen Teil der lokalen Tradition zu begreifen. Ihre subjektive Einstellung zu diesem Abschnitt der Gdańsker Baugeschichte wird in Audio- und Videoaufzeichnungen eingefangen.

Moderne Heimat, Leipzig
Weil diese Reflexion der Moderne kein lokales, sondern ein internationales Phänomen ist, regte Büro Kopernikus eine Kooperation zwischen „Unwanted Heritage" und dem Projekt „Moderne Heimat, Leipzig“ in Leipzig an.
„Moderne Heimat, Leipzig“, ein spartenübergreifendes Kulturprojekt, widmet sich ebenfalls Fragen des Städtebaus: Warum fühlen sich die Bewohner einer Stadt in ihr heimisch? Wie kommt es, dass sie sich mit einer baugeschichtlichen Periode eher identifizieren als mit einer anderen? Zwar ist Leipzigs „klassische" Moderne der Zwischenkriegszeit in ihren baukulturellen Werten allgemein anerkannt, die Beispiele der sozialistischen Nachkriegsmoderne werden jedoch erst allmählich einer Neubewertung unterzogen.

„Moderne Heimat, Leipzig" zeichnet in einer Ausstellung über den Augustusplatz ein Bild der modernen Stadtentwicklung Leipzigs seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Diese erfuhr vielfältige Impulse und mehrere Brüche sowie mit den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg eine markante Zäsur. Der Wiederaufbau und die Lebensrealität in der DDR-Epoche spiegeln die kulturellen Identitäten der Stadt Leipzig ebenso wie die staatssozialistische Version einer Gesellschaftsidee der Moderne wider.

Am Augustusplatz, der zwischen August 1945 und Oktober 1990 Karl-Marx-Platz hieß, bündeln sich diese Prozesse wie in einem Brennglas. Seine bauliche Entwicklung wurde im Kontext der Transformation der Leipziger Innenstadt vom sozialistischen Stadtzentrum zur kapitalistischen City untersucht. Hier, an diesem Platz mit seinen kulturellen Adressen, trägt die Stadtgesellschaft immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Tradition und Innovation aus: Heimat und Moderne. Gespräche mit Zeitzeugen, mit Musikern, bildenden Künstlern und Wissenschaftlern ergänzen eine aktuelle visuelle Erkundung des Augustusplatzes.

Die Schau zeigt zudem einen Ausschnitt der gleichzeitig in Gdańsk im Łaźnia Centre for Contemporary Art stattfindenden Ausstellung „Unwanted Heritage“. Das „ungeliebte Erbe“ der Moderne wird in Gdańsk aus dem offiziellen Stadtbild und -image nahezu vollständig ausgeblendet – ein ähnliches Phänomen wie in Leipzig. Der Vergleich macht die Bedeutung der Fragestellung im internationalen Kontext deutlich: Wie kann die Auseinandersetzung mit der bislang außer acht gelassenen modernistischen Architektur zur Entfaltung eines komplexen, vielfältigen, pluralistischen Stadtbildes beitragen?
Auch die Ausstellung „Unwanted Heritage“ in Gdańsk zeigt einen kleinen Ausschnitt des Leipziger Projektes.

Zweibändiger Ausstellungskatalog „Unwanted Heritage – Ungeliebtes Erbe“
Zentrum für zeitgenössische Kunst Łaźnia, Gdańsk 2005
ISBN 83-918763-3-0



Das Projekt wird vom Instytut im. Adama Mickiewicza aus den Mitteln des Kulturministeriums der Republik Polen im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres 2005/2006 mitfinanziert.
Veranstaltungsorte
Łaźnia Centre for Contemporary Art, Gdańsk
Foyer der Oper Leipzig, Leipzig
Termine
Gdańsk: 15. April - 29. Mai 2005
Leipzig: 6. Mai - 9. Juli 2005,
Beteiligte Institutionen
Łaźnia Centre for Contemporary Art, Gdańsk
Experimentale e.V., Leipzig

Thema:
Traumstädte, Geisterorte
Projekte zum Thema:
Industriestadtfuturismus – 100 Jahre Wolfsburg/Nowa Huta
[ Ausstellungsprojekt ]
The Mousetrap
[ Eine internationale Konferenz zum Umgang mit Institutionen in aktueller kuratorischer Praxis ]
Ewa Partum: Legalität des Raumes
[ Arbeiten 1965–2005 ]

Kuratoren
Jacek Friedrich, Wojciech Szymański, Agnieszka Wołodźko (Łaźnia Centre for Contemporary Art, Gdańsk) Martha Doehler-Behzadi, Lena Prents (Experimentale e.V., Leipzig)